

Neustadt in Holstein. Das Parken in Neustadts Zentrum kostet bald auch für Kurzzeitparkende in der gesamten Innenstadt Geld (der reporter berichtete).
Eine Herausforderung, vor allem in Bezug auf vollständige Inklusion und die Berücksichtigung aller wirtschaftlichen und sozialen Aspekte. Dieser sei man sich bewusst, erklärte Bürgermeister Mirko Spieckermann. Dennoch hat die Stadt die Parkgebühren im Innenstadtbereich als Teil der nachhaltigen Strategie eingeführt, um laut Spieckermann die Mobilität umweltfreundlicher und sozialverträglicher zu gestalten. „Es ist uns jedoch wichtig zu betonen, dass die Parkgebühren keine Barriere für Menschen mit Gehbehinderung darstellen, da diese mit entsprechendem Ausweis weiterhin kostenfrei parken können. Damit möchten wir sicherstellen, dass die Teilhabe am öffentlichen Raum für alle so niedrigschwellig wie möglich bleibt“, sagte er.
Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen bezieht sich die Stadt darauf, dass die Maßnahmen vor allem dazu dienen, den Suchverkehr in der Innenstadt zu reduzieren, die Luftqualität zu verbessern und die Verkehrsberuhigung voranzutreiben. „Dies kommt letztlich auch den ansässigen Geschäften und der gesamten Innenstadt zugute.“ Eine Entlastung sieht Spieckermann außerdem bei Anwohnenden und in der Stadt Beschäftigten, sofern sie eine Jahresparkkarte besitzen.
In Eutin wurden die Parkgebühren im Mai dieses Jahres ebenfalls angepasst. Hier kosten 30 Minuten parken im Stadtgebiet auf den gebührenpflichtigen Plätzen 1,10 Euro. Dies gilt von Montag bis Samstag von 8 bis 18 Uhr. Zum Vergleich: In Neustadt sind es für die erste Stunde inkl. Appgebühren zwischen 1,49 und 1,70 Euro. Das Tagesparkticket kostet in Eutin sieben Euro. Die Folge: Drastische Umsatzrückgänge und missgestimmte Kunden, so kommunizierten es rund zwei Dutzend Geschäftsleute aus der Eutiner Innenstadt am vergangenen Donnerstag im Hauptausschuss der Stadt Eutin. „Ihr Konzept, auf diese Weise höhere Einnahmen zu erzielen, geht so nicht auf. Unsere Mitglieder haben größte Sorgen, ja Existenzängste“, betonte Hans-Wilhelm Hagen, Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Eutin (WVE).
Eine Umfrage bei dem Mitgliedsbetrieben habe ergeben, dass die Mai-Umsätze im Jahresvergleich um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent zurückgegangenen seien, in einigen Fällen waren es sogar 30 Prozent. „Das können Sie doch gar nicht wollen, dass der Einzelhandel in der Innenstadt stirbt. Nehmen Sie Ihre Entscheidung ganz schnell zurück und kommen Sie mit uns kurzfristig ins Gespräch“, appellierte Hagen an die Kommunalpolitiker.
Bürgermeister Sven Radestock verteidigte die Gebührenerhöhung für die Sommermonate. „Wir haben im Haushalt wenige Stellschrauben, um Einnahmen zu erhöhen und Ausgaben zu verringern. Viele freiwillige Leistungen mussten wir bereits zurückfahren. Es sind harte Zeiten für Eutin, wir sind zu Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung gezwungen“, so der Verwaltungschef. In Eutin soll jetzt über einen Kompromiss im Rathaus verhandelt werden. Sicher werden die Parkgebühren auch Thema des nächsten Innenstadtforums, zu dem WVE und Eutin Tourismus GmbH alle Gewerbetreibenden am Montag, dem 21. Juli um 18.30 Uhr ins Brauhaus einladen. In Neustadt ist die Sorge um die wirtschaftlichen Auswirkungen ebenfalls groß. Die Nachricht habe in Neustadt, vor allem bei den Gewerbetreibenden ein wahres Beben ausgelöst, sagte beispielsweise Uwe Muchow bei einer Veranstaltung der Wirtschaftslounge.
In Neustadt ist der Stein bereits ins Rollen gekommen. Der Beschaffungsprozess für die neuen Parkscheinautomaten ist aktiviert. „Ob es noch einen Weg zurück gibt, ist derzeit nicht absehbar. Die Entscheidung basiert auf einer politischen und gesellschaftlichen Diskussion, die auf eine nachhaltige und gerechte Mobilitätsentwicklung abzielt“, erklärte Mirko Spieckermann. Aufgrund der vorgebrachten Äußerungen im Rahmen der Wirtschaftslounge (der reporter berichtete), werde er dieses Thema allerdings erneut in die Politik geben, um die Maßnahmen gegebenenfalls anzupassen oder weiter zu entwickeln.
Auf diese Frage antwortete Mirko Spieckermann, dass die Kommunalaufsicht zwar nicht direkt auf die Beibehaltung oder Ausweitung der Parkgebührenpflicht einwirken könne, bei einem defizitären Haushalt allerdings von der Stadt Konsolidierungsmaßnahmen zu treffen seien. Soll heißen: Die Stadt muss ihre Ertragslage verbessern. „Sollten nicht alle Ertragspotenziale ausgeschöpft werden, erfolgt eine entsprechende Bemerkung in der Haushaltsverfügung. Weiter hätte die Kommunalaufsicht über eine Versagung der Kreditgenehmigung Einfluss auf die Investitionstätigkeit der Stadt zu nehmen. Über mehrere Jahre defizitäre Haushalte, in Verbindung mit einem freiwilligen Ertragsverzicht, würde letztlich den Verlust auf Anspruch von Fehlbedarfs- oder Sonderbedarfszuweisung bedeuten und zum Abbau freiwilliger Leistungen führen“, befürchtete Spieckermann.
In den Sozialen Netzwerken werden zum Thema Parkgebühren neben dem großen Ärgernis über die entstehenden Kosten vor allem die Sorge um ein Aussterben der Innenstadt und erschwerte Bedingungen für Seniorinnen und Senioren laut. In Leserbriefen und Anrufen besorgter Menschen wird jedoch deutlich, gerade die ältere Generation steht der Gebühreneinführung kritisch gegenüber. In einem Leserbrief schreibt zum Beispiel der Neustädter Manfred Kampmann: „Gerade ältere Leute suchen im Innenstadtbereich einen Parkplatz. Die Plätze mit Parkscheibe, rund um die Kirche unterliegen einem schnellen Wechsel. Sie werden benötigt, um beim Arzt die Karte einzulesen, etwas aus der Apotheke zu holen, zur Bank zu gehen, um eine Zeitung oder ein Buch abzuholen und für viele andere Dinge.“
Der Seniorenbeirat schätzt die Lage etwas anders ein: Die weiteren Wege sind seiner Ansicht nach kein Problem. Diese können ja umgangen werden, wenn das komfortable Parken per App genutzt werde, erklärte Vorsitzender Norbert Illes. „Das Interesse an digitalen Dienstleistungen, wie EasyPark oder Parkster ist gerade in der älteren Generation groß. In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule bieten wir da bereits Hilfestellung“, erklärte er. (ko)