

Leserbrief: Traumatische Abschiebung einer ausreisewillige Romafamilie
Sie schliefen tief: Vater, Mutter und die fünf Kinder. Die jüngste, Elisabeth, hatte am 17. Mai gerade ihren ersten Geburtstag gefeiert. Unendlich dankbar waren alle, dass das Geburtstagskind angesichts der bereits vor Weihnachten angedrohten Abschiebung in den Kosovo vor dem möglichen Kältetod in der Obdachlosigkeit angesichts der winterlichen Frostperioden in jener Region des Balkan bewahrt worden war. Die Presse hatte seinerzeit davon berichtet.
Doch in der darauffolgenden Nacht, am 18. Mai gegen 2:30 Uhr, stürmte die Polizei die Wohnung der Familie Bunjako in Schönwalde und verbrachten sie mit ein paar zusammengepackten Habseligkeiten zum Flughafen. Nun sind sie wieder in dem angeblich „sicheren Herkunftsland“, aus welchem sie zwei Jahre zuvor als Angehörige der Volksgruppe der Roma nach fürchterlichen Erfahrungen von Armut, Obdachlosigkeit und Diskriminierung nach Deutschland geflohen waren. Ich erhielt bereits einen verzweifelten Hilferuf per SMS, denn im Kosovo hat sich für die Familie Bunjako seit ihrer Flucht nichts geändert.
Flucht vor Armut, Gewalt und Diskriminierung spielt zurzeit in Deutschland keine Rolle, gelungene Integration in unserem Lande genau so wenig, wenn es sich um ein sog. „sicheres Herkunftsland“ handelt. Wer vor dem Elend geflohen ist, muss zurück. Nachdem alle rechtlichen Einsprüche gegen die Ausweisung gescheitert waren, stimmten die Bunjakos jedoch letztlich schweren Herzens der ihnen nahegelegten sogenannten ‚freiwilligen Ausreise‘ zu. Sie wollten unbedingt vor allem die Kinder, aber auch sich selbst, vor der traumatisierenden Erfahrung einer polizeilichen Abschiebung bewahren. Schriftlich bekundeten sie ihre Bereitschaft zu diesem Schritt.
Mit Wissen und auf Anregung der Ausländerbehörde fuhr ich am 6. April mit den Eltern und der ältesten Tochter zur Botschaft des Kosovo nach Berlin, um dort die erforderlichen Pässe zur Rückreise zu beantragen. Doch diese verweigerte sich dem Ansinnen, weil die für einen solchen Antrag notwendigen Papiere offenbar nicht existierten, also auch nicht vorgezeigt werden konnten. In einem an mich gerichteten Schreiben des stellvertretenden Leiters der Abteilung Zuwanderung im Innenministerium von Schleswig-Holstein, Dirk Gärtner, vom 14. November 2016 hatte mich dieser im Hinblick auf die damals schon angedrohte Abschiebung beschwichtigt: „Die Durchführung unvermeidlicher Abschiebungen vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer orientiert sich immer angemessen an den persönlichen Situationen Betroffener und erfolgt in Würde und Sicherheit.“ Im Falle Bunjako war die Realität offensichtlich eine andere: Neben dem würdelosen und unverhältnismäßigen nächtlichen Überfall hat die Ausländerbehörde das aktive Bemühen der Familie um eine „freiwillige Ausreise“ nicht ernst genommen und ihr darüber hinaus die mangelnde Kooperation der kosovarischen Botschaft bei der Beantragung der notwendigen Ausreisepapiere als deren Versagen angelastet. Dennoch fühlt sich die Ausländerbehörde Ostholstein rein rechtlich gesehen auf der ‚sicheren Seite‘, wie der Leiter des Fachdienstes Sicherheit und Ordnung des Kreises Ostholstein, Christoph Balzer, in einem Telefonat am 19. Mai mir gegenüber betonte.
Es sieht so aus, als verwandle sich zur Zeit unser ‚Rechtsstaat‘ in ein Gebilde, in welchem durch eilig ängstliche Maßnahmen des Gesetzgebers Unrecht und Unmenschlichkeit gegenüber Flüchtlingen als Recht deklariert werden kann. Verbindlicher Maßstab muss jedoch bleiben: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Christoph Huppenbauer