Petra Remshardt

Moment mal

Buß- und Bettag / Ewigkeitssonntag 2020
Kennen Sie „Kintsugi“? Der japanische Begriff bedeutet übersetzt „Goldverbindung“ und bezeichnet eine traditionelle Methode, zerbrochene Keramik zu reparieren. Das Besondere dieser Methode besteht darin, dass man nicht so sehr darum bemüht ist, ein gebrochenes Gefäß nach Möglichkeit wieder so herzustellen, dass keine Bruchlinien zu erkennen sind. Vielmehr bleiben diese Bruchlinien durch das in den Klebelack bzw. die Kittmasse eingestreute Gold dauerhaft sichtbar. Es entsteht im Grunde ein neues durch die Kintsugi-Methode veredeltes Gefäß.
Bereits im Alten Testament wird der Mensch mit einem Tongefäß verglichen. Im Buch des Propheten Jesaja heißt es: „HERR Du bist doch unser Vater. Wir sind Ton, du bist unser Töpfer und wir alle sind deiner Hände Werk“ (Jesaja 64,7). Der Mensch ist ein Gefäß, dessen innere Leere Gott ausfüllen möchte. Aber manchmal ist es so, als könnte unsere Seele Gott nicht halten und fassen, weil dieses Gefäß all zu viele Bruchlinien, Risse und Sprünge hat. Zu jedem Leben gehören Schwächen, Fehler, Versagen und Schuld mit dazu, auch Eitelkeit, Hochmut, Wichtig¬tuerei, Unbarmherzigkeit und manche Selbstherrlichkeit. Wir fügen anderen Schaden zu, aber auch das Tongefäß unsere Seele wird von anderen beschädigt.
Der Buß- und Bettag heute am Mittwoch, aber auch der Ewigkeitsonntag am Ende dieser Woche, konfrontieren uns mit der Zerbrechlichkeit unseres Lebens, mit seinen Rissen und Sprüngen. Aber über beiden Tagen mit ihren Gottesdiensten steht auch eine große Verheißung. Gott kann und will im Leben wie im Sterben diese Bruchlinien, Risse und Sprünge „kitten“, die Bruchstücke unseres Lebens zusammenhalten und über dieses Leben hinaus aufbewahren. Sie werden dabei nicht unsichtbar, aber es ist wie mit dem Gold in der Kintsugi-Methode. Am Ende bleibt ein von Gott veredeltes Gefäß übrig, dessen Risse von Gottes Licht und Liebe erfüllt sind. Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden (Psalm 147,3). Gott fügt zusammen, was zerbrochen ist.
Ihr Propst Dirk Süssenbach


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