

Neustadt. „Alle, die zu uns kommen, brauchen Hilfe und ein
Dach über dem Kopf. Und beides bekommen sie auch“, ließ Innenminmister Stefan
Studt keine Zweifel daran aufkommen, dass die Schaffung von zusätzlichen
Erstaufnahmeplätzen auch künftig oberste Priorität habe. Die
Flüchtlingssituation ist ein komplexes und kontroverses Thema, das derzeit die
Menschen bewegt. Rund eine Million Flüchtlinge sind bereits nach Deutschland
gekommen, 50.000 werden bis Ende 2015 in Schleswig-Holstein erwartet. Das nahm
sich Ameos zum Anlass, um zu einer Talkrunde mit dem Titel „Menschen auf der
Flucht - wie gestalten wir Willkommenskultur“ einzuladen. Zu den Talkgästen
gehörten neben Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt noch der
stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki, die
SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn, NDR-Intendant Lutz Marmor sowie Dr.
Wolf-Rüdiger Jonas, ärztlicher Direktor der Ameos-Kliniken.
Zunächst nahmen die Gesprächsteilnehmer jedoch die furchtbaren
Terroranschläge von Paris in ihre Unterhaltung auf. In diesem Zusammenhang meine
Stefan Studt: „Wir holen uns die Menschen ins Land, die vor Terrorismus fliehen,
keine Terrorristen.“ „Paris ist der Terror, vor dem wir geflohen sind“, brachte
es Satema auf den Punkt, der vor einigen Wochen aus Syrien mit seiner Familie
nach Deutschland gekommen ist. Er dankte während der Talkrunde genau wie auch
Mohammed (15) und Mustafa (17), die ebenfalls aus Syrien stammen, „Deutschland
für die große Hilfsbereitschaft“.
Eine Spendenaktion hat auch Ameos im Rahmen der Talkrunde initiiert. Das Geld
soll für das Projekt „Lernreich“ des Kinderschutzbundes Ostholstein zur
Verfügung gestellt werden. Dort werden minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge
gleich nach ihrer Ankunft unterrichtet und auf das Leben in Deutschland
vorbereitet.
Zahlreiche Themenschwerpunkte kamen an diesem Abend zur Sprache - die
öffentliche Sicherheit, Finanzierung der Flüchtlingspolitik, Integration und die
Angst zahlreicher Menschen vor der Entwicklung der Flüchtlingssituation. „Sicher
hat keiner damit gerechnet, dass so viele Menschen zu uns kommen würden“,
betonte Stefan Studt, „aber wir können diese Menschen, die unsere Hilfe
brauchen, nicht vor der Tür stehen lassen.“ Er machte deutlich, dass es keine
leichte Aufgabe sei, aber sie sei zu bewältigen. Dabei verhehlte er auch nicht,
dass es zum Beispiel bei Geld- oder Essensausgaben zu Gewaltdelikten komme. Dies
seien aber keine dramatischen Zahlen. Bettina Hagedorn berichtete, es stünden
genügend finanzielle Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung. Gleichzeitig
betonte sie, dass bei niemanden gekürzt werde, um Flüchtlinge zu finanzieren.
Integration war das Hauptanliegen von Wolfgang Kubicki. „Wir müssen dafür
sorgen, dass die Flüchtlinge eine Perspektive erhalten und so schnell wie
möglich mit den deutschen Gepflogenheiten vertraut werden.“ Er plädierte für
eine geordnete Zuwanderung und machte dabei deutlich, dass es eine
grundgesetzliche Pflicht sei, den Menschen auf der Flucht zu helfen und
humanitären Schutz zu bieten. Der stellvertretende Bundesvorsitzende: „Die
Aufnahmeverfahren müssen zwingend beschleunigt werden. In der jetzigen Form
schafft es Probleme, zum Beispiel bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Die
Idee der Zuwanderung ist doch, dass Zuwanderer Deutsche werden.“
Viele Flüchtlinge benötigen aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen nicht
nur Hilfe zur Grundversorgung, sondern auch psychologische Hilfe. In den
Ameos-Kliniken werden derzeit zahlreiche Betroffene behandelt. „Dies ist nicht
immer leicht“, erläutert Wolf-Rüdiger Jonas. „Selbst für uns, die wir
professionell damit umgehen, aber noch mehr auch für die Dolmetscher, ist das,
was wir an Erlebtem erfahren, eine schwere Belastung und kaum auszuhalten.“ Er
sieht es als wichtigste Maßnahme an, dass Flüchtlinge an Aktivitäten teilhaben,
denn nichts sei schlimmer als Untätigkeit. (red/mg)