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Alexander Baltz

"Deutschland- die verspätete Nation" - Auszüge der Vaterländischen Rede von Andreas Schuldt

Leutnant Andreas Schuldt.

Leutnant Andreas Schuldt.

„Wenn wir über die Begriffe „Deutsch“ und „Vaterland“ nachdenken, kommen wir früher oder später zur Frage nach dem Ursprung. Zur Frage also, wie es zur Genese eines Deutschlands kam, wann erstmals von „Deutschen“ die Rede war und welchen Weg dieser Prozeß der Deutschen Nationwerdung insbesondere im Vergleich mit anderen europäischen Mächten nahm. Denn es nicht nur so, daß sich die Geschichte in Abwandlungen immer wiederholt, sondern gerade die Frage nach den Wurzeln führt zu Antworten auf den gegenwärtigen Zustand.
Lassen Sie uns abtauchen in eine Welt, in der sich sich das Frankenreich in 3 Teile aufsplittert, deren östlicher zunächst das Ostfränkische, dann das Deutsche Reich bildet. Mit dem Jahr 919 und der Inthronisierung des Saliers Heinrich I. befinden wir uns auf dem Startpunkt der Geschichte eines Reiches der Deutschen. Bereits mit der Wahl des ersten Deutschen Königs durch die Stammesherzöge etabliert sich das sogenannte Wahlkönigtum. Eine weitere Leitlinie unserer Nationwerdung ist die Inanspruchnahme des Klerus als maßgebliche Stütze der Reichsverwaltung. Die Klöster waren im Mittelalter die Zentren des Schrifttums und die einzige funktionierende Verwaltungsebene im Reich. Neben dem Lehenswesen, also der Vergabe von Land gegen die Verpflichtung zum Untertanenschutz und zur Heerfolge, war die Kirche die einzige Institution, mit der das Reich verwaltungstechnisch durchdrungen werden konnte. Unter Heinrich III. erreichte die kaiserliche Macht einen vorläufigen Höhepunkt, es herrschte eine „Harmonie zwischen Imperium und Sacerdotium“, auf der Synode von Sutri 1046 ließ der Kaiser drei rivalisierende Päpste absetzen und den Bichof von Bamberg zum Papst Clemens II. ausrufen.
Das Wormser Konkordat setzte der Einheit von Kaisermacht und Papsttum ein Ende, die Bischöfe wurden fortan durch den Klerus bestimmt.
Das dritte entscheidende Kriterium war die Fixierung der Deutschen Herrscher auf den Einfluß über Rom. Die Titulierung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ impliziert den Anspruch auf die Nachfolge des Reiches vom Römischen Reich, nur im Deutschen Reich gab es einen Kaiser, vom Papst gekrönt. Zur Sicherung der Einflußnahme auf den Heiligen Stuhl hielten sich viele Herrscher länger in Italien als in Deutschland auf mit Folge, daß sich die Landesherrschaften vom Kaiser sukzessive emanzipierten, ihre Lehen automatisch erblich wurden und die kaiserliche Autorität mangels Anwesenheit schrittweise verfiel. In der Goldenen Bulle von 1356 werden die faktisch gewordenen Machtverhältnisse, die schrittweise Übernahme ehemals königlicher Rechte durch die Landesherren, nunmehr auch de jure festgelegt.
Kommen wir zurück zu den Landesherrschaften im Reich. Sie sind entstanden aus den ursprünglich königlichen Lehen, derer Erblichkeit, der Übernahme ehemals königlicher Regalien (Zölle, Münzrecht, Marktrecht, Bergbaurecht und dem niederen Gerichtswesen). Allein schon bedingt durch die flächenmäßige Ausdehnung des Reiches im Hochmittelalter mit den drei Teilkönigreichen Deutschland, Burgund und Italien bilden die Reichsverwaltung und die Landesherrschaften zwei parallele Stränge der Herrschaft. Die nur rudimentär ausgeübte Zentralverwaltung durch den Kaiser mittels der Kirche wird zwangsläufig ergänzt durch die eigenständige Verwaltungsorganisation in den Grafschaften, Fürstentümern und Bistümern.
Dieses Gleichgewicht zwischen landesherrschaftlicher und kaiserlicher Zentralgewalt geriet bereits zum Ausgang des 11. Jahrhunderts aus den Fugen. Mit dem Wormser Konkordat 1122 gleicht sich die Stellung der Bischöfe denen der weltlichen Fürsten im Reich an.
Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation hingegen war im gleichen Zeitpunkt mit dem Wormser Konkordat, spätestens mit der Goldenen Bulle 1356 der Schlußpunkt für einen Zentralstaat auf deutschem Boden gelegt worden.
Die Zersplitterung der Macht im Reich setzte sich nunmehr im Spätmittelalter fort, die Reformation zu Beginn der Neuzeit zerriß unser Vaterland auch konfessionell und mündete in den Dreißigjährigen Krieg mit seinen unfaßbaren Grausamkeiten. Bereits dieser Krieg machte Deutschland und unser Volk zum Spielball benachbarter Mächte, Landesherren verbanden sich mit den Königen von Schweden und Frankreich, die wiederum territoriale Ziele an Deutschlands Ostseeküste und an der Westgrenze verfolgten. Der Westfälische Friede von 1648 schließlich stellte per Vertrag fest, was schon lange Realität geworden war: Das Reich hatte sich in eine leblose Hülle für immer stärker aufstrebende und eigenständig agierende Landesherrschaften entwickelt. Die machtpolitisch erfolgreichsten Landesherrschaften sollten schließlich die Dynastien der Hohenzollern und Habsburger werden.
Die Nationwerdung Deutschlands machte einen jahrhundertelangen Umweg über die Landesherrschaften und kam erst zum Abschluß, als Preußen und Österreich schließlich im 19. Jahrhundert ihre Hegemonie durchsetzten und die Großmächte Deutschland und Österreich- Ungarn manifestierten.
Die in der Ära der Restauration nach 1815 aufkeimende Sehnsucht vieler Deutscher nach einem geeinten Vaterland, wie es auch Hoffmann von Fallersleben in seinem Lied der Deutschen textete, fand ihr Fanal im Großmachtstreben der Hohenzollern, die schließlich, wenn auch vom Monarchen zunächst widerwillig, 1871 die Kaiserkrone eines geeinten Deutschen Reiches übernahmen. Der Sieg über Frankreich und die explodierende ökonomische Potenz in den Jahren darauf katapultierten das nunmehr zweite Deutsche Reich in Richtung einer Weltmacht.
Damit sollte sich das Machtgleichgewicht in Europa massiv verschieben. Im Zentrum des Kontinents entstand eine ökonomische und militärische Macht, die die übrigen Großmächte derart seit den Stauferkaisern im 12. Jahrhundert nicht mehr gewohnt waren. Dazu kam: 1871 waren die Weltsprachen Englisch und Französisch, der Meridian verlief durch London und die Kolonien waren aufgeteilt unter England, Frankreich und Spanien. England sagte stolz: „Britania rules the waves“ und war die mit Abstand größte Seemacht.
Damit schließt sich nun der Kreis. Im späten 19. Jahrhundert etablierte sich Deutschland als wirtschaftlich und militärisch potente Großmacht, mindestens ebenbürtig mit den lange bestehenden Mächten England und Frankreich. Der Ausspruch des Herzogs von Wellington „Ich wollte, es werde Nacht oder die Preußen kämen...“ war nun nicht mehr aktuell.
Und mit dem Abgang Bismarcks 1890 verloren wir denjenigen, der die „Zuspätkommer“ harmonisch in den Kreis der bestehenden Mächte einzuordnen wußte.
Zu ergründen, welche Konsequenzen diese Entwicklung für die weitere Geschichte unseres Deutschen Vaterlandes haben sollte, gebe ich dem geneigten Publikum anheim und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.“


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