„Die beste Entscheidung unseres Lebens“ - Drei Gesellen auf der Walz
Neustadt. Völlig entspannt sitzen sie auf der Terrasse von Ulrike Gollan-Lambeck im Hospitalmühlenweg in Neustadt. Bei rund 30 Grad vor sich ein gekühltes Glas Wasser, erzählen sie im Gespräch mit dem reporter von ihren Erlebnissen, von einer Reise, die exakt drei Jahre und einen Tag dauert. Auch bei diesen hochsommerlichen Temperaturen tragen sie die stilechte Kluft mit Wanderstock, Schlaghose, kragenlosem Hemd sowie einem Jackett und schwarzem Hut. Sie, das sind Lukas, Josephina und Vincent - drei Gesellen auf Wanderschaft, der sogenannten Walz.
Lukas, fremder freireisender Bootsbauer aus Hamburg, Josephina, fremde Damenschneiderin im freien Begegnungsschacht (FBS) aus Berlin und Vincent, fremder Polsterer im FSB aus Oedt bei Mönchengladbach sind nur auf kurzer Stippvisite in Neustadt. Sie lösen mit dem Besuch bei Ulrike Gollan-Lambeck ein Versprechen ein, dass sie deren Sohn Felix Lambeck, ein Neustädter Jung, der derzeit ebenfalls auf Wanderschaft ist (der reporter berichtete), gegeben haben.
Die drei Wandergesellen (ein Gesellenbrief ist Pflicht) sprechen von einer großen Weiterbildungsreise, auf der sie nicht nur beruflich, sondern auch persönlich, sozial, geografisch und kulturell mit immer neuen Erfahrungen konfrontiert werden.
Während Lukas und Josephina seit Oktober 2018 auf der Walz sind, startete Vincent sein Abenteuer im November 2019. Und als genauso ein Abenteuer, verbunden mit der Pflege der Tradition, sehen sie diese ganz spezielle Art des Reisens. Hatten sie in den ersten zwei bis drei Monaten noch einen Mentor an ihrer Seite, waren sie anschließend auf sich alleine gestellt. Erst kürzlich trafen sich ihre Wege in Dänemark und sie beschlossen, einen kurzen Zeitraum gemeinsam zu bestreiten.
„Es war die beste Entscheidung unseres Lebens“, sind sich die drei einig. Auch mit gewissen Einschränkungen, wie der Verzicht aufs Handy oder der regelmäßige Kontakt mit Familienangehörigen und Freunden, lässt es sich gut leben. „Es gibt ja auch noch Postkarten“, sagt Josephina mit einem Lächeln und verweist auf eine gewisse Form der Entschleunigung.
Wie es der Brauch besagt, darf für Fortbewegung und Übernachtung kein Geld ausgegeben werden. „Dabei schlafen wir im Sommer auch mal unter freiem Himmel oder machen die Nacht durch. Aber größtenteils sind die Menschen sehr hilfsbereit und stellen uns Unterkünfte zur Verfügung“, erklärt Lukas. Auf der Reise-Landkarte der drei Wandergesellen ist bislang jedoch nicht nur Deutschland markiert, auch Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien und Dänemark zählen zu den bereisten Ländern. Das Ganze ist jedoch kein Urlaub. Rund 50 Prozent der Reisezeit wird im jeweiligen Handwerk gearbeitet. „Dabei haben wir immer auch die Möglichkeit, über den gewerklichen Tellerrand hinaus zu schauen“, sagt Vincent. „Für mich als Schneiderin ist es nicht ganz leicht, einen Job zu finden. Deshalb versuche ich, die gewonnen Erfahrungen als Sprungbrett zu nutzen“, erläutert Josephina, die von einer Anstellung an einem Theater träumt.
Auch wenn für Lukas, Josephina und Vincent der Aufenthalt in Neustadt eine schöne Zeit war, ist die Abenteuerlust noch lange nicht gestillt. Am vergangnen Samstag ging es weiter Richtung Hannover. (mg)
In diesem Artikel sind nur die Vornamen genannt, da bei Gesellen auf der Walz die Nennung und Verwendung von Nachnamen üblicherweise nicht von Bedeutung ist.

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