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Ist Heiraten noch zeitgemäß?

Foto: Pixabay

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Das Konstrukt der Heirat und der damit verbundenen ewigen Liebe ist sehr alt. Es wurde erdacht, als Menschen kaum 40 Jahre alt wurden. Heute liegt das Durchschnittsalter hierzulande bei 70 bis 75 Jahren. Insofern bekommt der Zusatz: „Bis der Tod euch scheidet“ eine deutlich längere temporäre Bedeutung als etwa noch vor 400 Jahren. Ist Heiraten also überflüssig?

Heirat erfüllte einen Zweck

Statistisch gesehen heiraten Männer mit 35 Jahren und Frauen mit 32 Jahren. In den Jahren der Pandemie allerdings gingen die Hochzeiten deutlich zurück. Im Schnitt wurde jede zehnte Trauung nicht durchgeführt. Das hatte selbstverständlich damit zu tun, dass die Standesämter nur eine geringe Zahl an Vermählungen durchführten und zudem nur wenige, bis keine Gäste teilnehmen durften. Dabei stellt sich allgemein die Frage, ob das Heiraten überhaupt noch zeitgemäß ist. Schließlich haben sich die Rahmenbedingungen nicht nur in den vergangenen Jahrhunderten grundlegend verändert, auch ist die Frau nicht mehr so abhängig vom Mann.

Das bedeutet nun nicht, dass nicht mehr geheiratet wird oder werden soll. Aufschluss hierüber gibt die aktuelle Hochzeitsstudie „So heiratet Deutschland 2023“. Hierbei wurden diverse Aspekte, von den Vorbereitungen über den Junggesellen- und Junggesellinnen-Abschied bis hin zur Trauung durchleuchtet. Zentrale Frage: Wie hoch stehen Verlobungsfeier und Feierlichkeiten im Fokus von Paaren

Um sich der eingangs gestellten Frage zu nähern, ist es wichtig, einige Fakten zu den Frauenrechten zu kennen, die noch nicht allzu lange her sind. So durften Frauen bis 1958 in Deutschland kein eigenes Bankkonto haben. Auch war es ihnen ohne die Zustimmung ihrer Ehemänner nicht erlaubt zu arbeiten oder gar einen Führerschein zu machen. Eine Eheschließung hatte also weitreichende Vorteile. Insbesondere unter Betrachtung von Schwangerschaften. Denn eine ledige Mutter vor 1970 hatte keinen Anspruch auf das Sorgerecht ihres Kindes. Dieses verblieb beim Jugendamt oder wurde an eine andere Person übergeben.

Interessant:

In der ehemaligen DDR waren Frauen schon deutlich früher gleichberechtigt. Zudem gab es zinslose Kredite für junge Paare.

Gründe für eine Heirat

Zugegeben, ganz oben auf dem Treppchen steht die Liebe. Allerdings kann diese kaum die einzige Erklärung sein. Denn außer dem Nachnamen, wenn man ihn denn annimmt und einem Ring an dem Finger, ändert sich an der Zuneigung zueinander aufgrund einer Hochzeit nichts. Ein eher nachvollziehbarer Grund ist die Schwangerschaft der Partnerin. Schließlich ist bei verheirateten Menschen die Regelung des Sorgerechts klar. Ist das Paar bei der Geburt nicht verheiratet, muss der Vater die Vaterschaft erst einmal anerkennen und beantragen. Vorher hat er weder einen Sorgerechtsanspruch, noch ein Anrecht auf Kindergeld.

Ebenfalls häufig als Heiratsgrund genannt, wenn auch wenig romantisch, ist der steuerliche Aspekt. Denn Ehegatten können bei ihrer Steuererklärung im Rahmen des Ehegattensplittings entlastet werden. Faustformel in diesem Punkt ist: Je größer der Einkommensunterschied zwischen den Partnern ist, desto höher kann eine steuerliche Entlastung ausfallen. Ein weiteres nachvollziehbares Argument für eine Heirat ist die Aufenthaltsgenehmigung. Für binationale Paare, in denen eine Person nicht aus einem EU-Land kommt, bleibt sonst nur der Status eines Urlaubers oder einer Urlauberin.

Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, das Konzept Ehe zu überdenken und neue Wege zu beschreiten. Warum sollten Männer nicht generell rechtlich als Väter anerkannt werden oder Paare, die in Deutschland mit ihrer Liebe zusammenleben, auch bleiben können? Dafür braucht es weder den Staat noch eine seiner Institutionen. Unterhaltsverpflichtungen, Sorgerecht und Co. können dabei auch im Anschluss an eine Trennung bestehen bleiben. Zeitgemäß ist eine Heirat daher nicht mehr. Allerdings darf die romantisierte Sicht auf den Bund der Ehe nicht vergessen werden. Insofern wäre eine freie Entscheidung zwischen verschiedenen Konzepten ein erstrebenswertes Ziel.


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