Simon Krüger

Deutschland, deine Sextoys: vom Schmuddelkram zum Lifestyle-Produkt

Bild: Pixabay.com @ tamanna_rumee

Sexspielzeug ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Schon in der Steinzeit wird man die lustspendenden Eigenschaften von passend geformten Früchten oder Steinen erkannt haben. Später kamen menschengemachte Toys hinzu, die ihre Wirkung noch besser entfalten konnten. Doch noch heute tun sich viele Menschen mit dieser Thematik schwer: Aufgrund von kulturellen und / oder religiösen Vorbehalten sind diese Artikel in vielen Ländern sogar verboten. Hierzulande vollzieht sich jedoch ein bemerkenswerter Wandel im Umgang mit Erotikprodukten.


Die Neunziger: Aufbruchstimmung?!


Nach der Wiedervereinigung war in Deutschland vieles im Umbruch. Zur Wendezeit schickte Beate Uhse sogar Lkws als rollende Erotikshops in die sich öffnende DDR, schließlich hatten die nun freien Menschen auch Lust auf sexuelle Freiheit. Nichtsdestotrotz erweisen sich die Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts im Rückblick als zugeknöpft. Wer Interesse an Pornografie oder Sexspielzeug hatte, musste sich dafür meistens in recht schmuddeligen, kleinen Läden in Bahnhofsnähe umschauen. Preis und Qualität spielten dabei jeweils eine Nebenrolle – schließlich war man schon froh, wenn man beim Einkauf nicht von seinem Nachbarn gesehen wurde.


Klar, dass die fast obligatorische, braune Plastiktüte samt gekauftem Dildo aus Diskretionsgründen rasch umverpackt wurde, sofern man nicht gerade auf der Hamburger Reeperbahn unterwegs war. Immerhin war Erotikspielzeug noch mit dem Reiz des Verbotenen behaftet, wodurch man selbst minderwertigen Toys einen besonderen Stellenwert einräumte. Apropos einräumen: Klar, dass Sexspielzeug und Pornos besser versteckt wurden als Omas Juwelen. Und auch bestimmte Sendungen im Spätprogramm von RTL schaltete man nur ein, wenn man sich wirklich ungestört fühlen konnte.


Frischer Wind im neuen Jahrtausend


Offene Grenzen, offene Gedanken: Nach und nach wagten die Menschen auch im Hinblick auf die Erotik einen Blick auf die europäischen Nachbarn. Einige zeigten sich bereits deutlich unverkrampfter als die Deutschen. Wie gut, dass nun nicht nur immer mehr große, helle Erotikstores in bester Citylage oder im Einkaufszentrum, sondern auch die ersten Onlineshops mit „heißem“ Angebot entstanden. Hier konnte man ganz ungestört stöbern und sich alles so bequem wie diskret nach Hause schicken lassen. Für immer mehr Menschen eine echte Einladung, Denkschranken aus dem Kopf zu bekommen.


Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich die Marktsituation vollkommen veränderte: Im Jahr 2008 erwirtschaftete die damalige Marktführerin Beate Uhse bereits 60 % ihres Umsatzes über das Onlinegeschäft. Zunehmend waren die Menschen nun auch bereit, über Sex mit all seinen Facetten zu sprechen. Ein wesentlicher Grund für den gewaltigen Erfolg der „50 Shades of Grey“-Reihe. Einige Toys erlangten ebenfalls regelrechten Kultstatus: „Fleshlight“ etwa ist als stehender Begriff längst zum Synonym für Masturbatoren geworden.


Und heute?


Obwohl man Sexspielzeug fast ausschließlich online kauft, handelt es sich um kein Tabuthema mehr. In der Social Media wie auch im Freundeskreis zeigt sich die Gesellschaft offener als je zuvor. Laut Angaben aus der Branche haben sich die Nutzerzahlen bei allen Geschlechtern seit 2018 mehr als verdoppelt – und die Tendenz geht weiter nach oben. Vor allem aufseiten der Männer sieht man noch Potenzial: Während rund zwei Drittel aller Frauen Sexspielzeug verwenden, greifen nur rund 50 % der Männer zur Befriedigung zu entsprechenden Hilfsmitteln. Toys für Paare sind auch deshalb ein wichtiger Wachstumsmarkt: Da Männer erfahrungsgemäß zögerlicher sind beim Umgang mit Erotikprodukten, baut die gemeinsame Nutzung vorhandene Hemmungen messbar ab.


Wie sinnlich wird die Zukunft?


Man könnte annehmen, dass die Marktsättigung bald erreicht ist. Doch findige Hersteller arbeiten längst an den Lustspendern der Zukunft: Neue Formen, Farben und Materialien werden auch in der Zukunft für lustvolles Prickeln sorgen. Außerdem rücken KI- beziehungsweise App-gesteuerte Toys verstärkt in den Fokus. Diese heben die Lust an der Masturbation nochmal auf ein komplett neues Niveau – und zwar bei allen Geschlechtern.


UNTERNEHMEN DER REGION

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